Top 5 DichterInnen

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juergen h.
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Top 5 DichterInnen

Ungelesener Beitrag von juergen h. »

Liebe Forumsfreunde,

Ich dachte es wäre eine erfrischende Idee, wenn ihr auf Basis Smalltalk bekannt geben könntet, welche DichterInnen euch am meisten bei euren Schreiben beeinflusst haben und warum. Wir haben jetzt in kurzer Zeit einige neue Mitglieder gewonnen, die sich hier im Forum wohlfühlen, und die ich auch kennenlernen möchte.

Ich bitte um eine Reihung von 1-5, wobei 1 die beste Note und 5 die bestmöglich schlechteste Note darstellt. Denn weniger als 5 Dichter hat gewiss kaum jemand der Literaten in diesem Forum kennen gelernt. Vielleicht erschließt sich so den LeserInnen ein neuer Horizont, oder man entdeckt als Schreibender in der Tradition der Wiederholung Möglichkeiten, seinen Ausdruck im Spiegel der Zeit zu verbessern. Das wäre doch wünschenswert und das Ziel insgesamt somit ein Hehres. Vorab keine Beispielsgedichte, warum und weshalb, man könnte in der Folge einen eigenen, neuen Faden dazu öffnen.
Erlaubt sind Querbeetdiskussionen zum Thema, solange Antworten auf die Auswahl nicht abschätzend qualifizierend daherkommen, sondern im gut gemeinten Sinn huldigend, sanft heuchlerisch oder zärtlich anbiedernd bleiben. Eine Art Hitparade der eigenen Vorbilder. Punkt.

Weil sich niemand vordrängt hat fange ich an.

1. Ingeborg Bachmann (Österreich)
Aus unerreichter Bildhaftigkeit, Rhythmus und feinstem Intellekt sind ihre Gedichte gewirkt. Die beste Dichterin seit Sappho von Mykaenae. Unter den besten DichterInnen aller Zeiten weltweit weit vorne unter den Top 10.
2. Georg Trakl (Österreich)
Seine expressionistischen Bilder haben mir schon in jungen Jahren "den Boden unter den Füßen" weggezogen.
3. Rainer Maria Rilke (Österreich)
Rilkes Sonnette sind so perfekt, dass sie jeder Mittelschüler in Österreich - neben Goethe - im Deutschunterricht kennen lernt. Gerne hätte ich hier Hugo von Hofmannsthal gelistet, aber es ist mir nicht gelungen.
4. Marina Zwetajewa (Russland)
Tragisch, wortgewaltig, eine hinreißende Bilderwelt, mit I. Bachmann vergleichbar, jedoch nicht ganz so episch, die Sprache weniger mutig und formal wuchtig, wie das Frau Bachmann fast nebenbei vollbrachte.
5. Reiner Kunze (Deutschland)
Kunze hat seine Gedicht so extrem verdichtet, dass fast nichts mehr übrig blieb vom Lesestoff als reinste Sprache. Als politisch Verfolgter in der DDR musste Kunze in scheinbar Nichtssagendem Kritik am Regime unterbringen. Dies gelang ihm besonders gut in Naturgedichten. Kunze hat die Natur politisiert und eine neue Lesart geschaffen, die weit über die Phänomene von Metaphern hinausgeht. Letztendlich wurde er nach Polizeibespitzelung, Folter und Repressionen des Landes verwiesen. Ein Meister der kleinen Formate, die Destillate von höchster Konzentration und Schreibkunst sind.

Euer Forumsgeist.
Austria Brigitte
Beiträge: 1311
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Ungelesener Beitrag von Austria Brigitte »

Liebe Forumsfreunde,

ich war ab Herbst 1967 vier Jahre in der Hauptschule im Ersten Klassenzug in einer reinen Mädchenklasse. Damals hatten wir noch samstags 4 bis 5 Stunden Schulunterricht. Wir mussten jede Woche über Sonntags ein Gedicht und meist eine lange Ballade, auswendig lernen, mutmaßlich um unseren Eltern nicht zur Last zu fallen, im Gegensatz zum Zweiten Klassenzug, die mussten das nicht, weil die es sowieso nicht geschafft hätten. Mir fiel das Lernen leicht. Diese Gedichte haben sich in mich eingebläut. Ich habe sie per Drill gelernt. Sie wurden mir in der Schule aufs Auge gedrückt. Ich konnte sie nicht selber aussuchen. Dem entsprechend haben sie mich auch beeinflusst.

Mein Lieblingsgedicht zu Schulzeiten war der Zauberlehrling. Daher kommt Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832) für mich an

die 5. Stelle, da mir seine Gedichte zum Auswendiglernen am leichtesten fielen. Aber ich bin nicht direkt in Goethe verliebt, so wie die Bewohner von Weimar, lese seine Werke aber sehr gerne.

Die 4. Stelle vergebe ich für William Shakespeare, (1564–1616), der international bekannt ist, und dessen Geburtshaus ich bei meinem einjährigen England-Aufenthalt in 1976 besucht habe. Mir hat es dort sehr gut gefallen. Am meisten beeinflusst hat mich Romeo und Julia. Das habe ich als Ballett-Kino-Film gesehen, wo meine Mutter mit mir zu meinem 10. Geburtstag ins Kino ging. Da habe ich zum ersten Mal Ballett und einen Ballettfilm gesehen. Wir hatten keinen Fernseher. Damals habe ich zu meiner Mutter gesagt, ich will auch so tanzen. Daraufhin hat sie mich zur Ballettschule angemeldet. Und ich bin 34 Jahre beim Ballett geblieben, bis ich zwei Knieoperationen hatte wegen Meniskus-Rissen. Leider habe ich seit 2000 deswegen aufgehört zu tanzen.

Die 3. Stelle vergebe ich für William Wordsworth (7 April 1770 – 23 April 1850) für das Gedicht Daffodils. Das haben wir an der Universität im Anglistik-Studium in einem Literatur-Proseminar durchbesprochen, und ich war total beeindruckt davon. (in 1986/87)

An 2. Stelle reihe ich Wilhelm Busch, (1832 bis 1908), da ich als Kind das Buch Max und Moritz geschenkt bekam. Ich liebe alle Kinderklassiker, wie Struwwelpeter von Heinrich Hoffmann (1809-1894) und Die Heinzelmännchen zu Köln (August Kopisch 1836). Meine Mutter hatte mich immer mit viel schönstem Lesestoff versorgt, da sie für mich keine Zeit hatte, weil sie immer voll berufstätig war als Fabrikarbeiterin.

An 1. Stelle reihe ich August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 - 1874),
da er so einfach schreibt. So einfach und so schön. Ich habe ihn zufällig einmal in einem kleinen Kalenderbüchlein entdeckt, das mir meine Mutter schenkte. Das ist seither mein Lieblingsgedicht:

Der Frühling ist da!

Der Frühling hat sich eingestellt,
wohlan, wer will ihn sehen?
Der muss mit mir ins freie Feld,
ins grüne Feld nun gehn.

Er hielt im Walde sich versteckt,
dass niemand ihn mehr sah;
ein Vöglein hat ihn aufgeweckt,
jetzt ist er wieder da…

Besser kann ich es leider nicht begründen, mir gefällt es einfach nur sehr gut. Ach so, vorab keine Beispielsgedichte, das habe ich leider überlesen. Aber löschen will ich sie jetzt auch nicht mehr.

Eure Brigitte
Namazu
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Ungelesener Beitrag von Namazu »

Bei mir gibt’s keine Reihung und ich vergebe auch keine Schulnoten. Poesie wirkt auf mich, manchmal für einen Moment, manchmal kehre ich immer wieder zurück, manchmal sind es einzelne Gedichte, die mich berühren, manchmal mehrere. Das ist für mich kein statisches Konzept, manchmal passt eben das eine besser als das andere und ich entdecke auch gerne neues.

Ich werfe daher einfach fünf Namen in den Raum, die Anordnung hat nicht viel zu sagen, ich knüpfe einfach an. An einem anderen Tag fielen mir vielleicht, oder sogar wahrscheinlich, andere Namen sein.

An Rilke komme ich schwer vorbei: Zum einen ein Sprachkünstler, der Form und Rhythmus perfekt beherrschte, zum anderen aber auch jemand, der Fragen gestellt hat, die Welt genau beobachtet hat, zugesehen hat, den Moment erkannt hat und die Macht der Details. Diese Mischung gibt es nicht oft.

Ingeborg Bachmann (Sappho, lieber Jürgen, war übrigens aus Mytilene. Mykene haben die homerischen Dichter besungen) mag ich auch - auch vor allem aufgrund der Bildhaftigkeit und weil sie erschüttert. Und wenn wir schon bei Bachmann sind, muss ich auch Paul Celan, der mir das Blut in den Adern gefrieren lässt, auch wenn ich bisweilen nichts verstehe und nur vage Bilder sehe - aber ich sehe und höre sie und dabei passiert viel.

Maya Angelou: Life Doesn't frighten me Sie war klug, sie war stark, sie war schwach, sie war wehrhaft, sie war verletzlich, sie hüllte nichts in Geheimnisse, sie war laut, sie war direkt und sie liess sich vor allem niemals zu einem Opfer machen.

Ich habe ein sehr gespaltenes Verhältnis zu Handke. Aber Handke hat "Wunschloses Unglück" und das abschliessende Gedicht von "Über die Dörfer" geschrieben, beides Werke, die mich sehr berührt haben und die ich sprachlich virtuos finde.

Jetzt würden mir noch eine ganze Menge Namen einfallen. Bis Mitte 20 wäre Georg Trakl ganz weit oben gestanden. Heute habe ich weniger Bezug zu ihm, es ist mir alles zu ernst, zu getragen, vielleicht bin ich zu zynisch dafür geworden. Wenn wir bei zynisch sind: Mark Twain.

Es ist schade (und zugleich natürlich auch das, was sie ausmacht), dass sich Dichtung nie ganz übersetzen lässt, weil sie so direkt mit der Sprache interagiert. Ich wüsste zum Beispiel wirklich gern, wie sich etwa Rumi auf Farsi liest, was man dabei alles sieht - das muss eine Explosion sein. Oder fände es schön ein Spanisch zu haben, mit dem ich z.B. Neruda gerecht werden könnte etc. etc.
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