Der Stabilisateur

Lyrik, Prosa, Interpretation, Beipacktext.
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Ukraine Ralfelinchen
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Der Stabilisateur

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Der Stabilisateur

(aus dem Zyklus: ATROCITAT Die Stadt des Tormentors)

Der weiche Schirm der Abenddämmerung helmte gnädige Düsternis über Atrocidad. Nichts konnte diese Stadt besser verkörpern, als der riesige Brunnen hier am Hauptplatz. Mit seinen verkrümmten Wassergebern, deren geifernde Fratzen von Krähenschiß geweißt waren, zeigte er deutlich den Verfall der Stadt.

Tausende Klare hatten sich heute festlich versammelt und torkelten meist schon betrunken lallend zwischen den Zelten und Hungerständen hin und her. Augen verdrehend stieß man einander an den Schultern, Fremde begrüßten einander fraternierend, um schon im nächsten Augenblick noch Unbekanntere zu werden. Gurgelndes Lachen aus schnapsversengten Kehlen verschmutzte den Klang der glockenhellen Stimmen der Narrenkinder. Sie hatten das Lied seit Monaten im Kindertrakt der Custodia geprobt und es erfüllte mich ein wenig mit Stolz wie perfekt dieser Chor aus einigen hundert Stimmchen in seiner Harmonie war. So als wären sie eine einzige zarte Stimme. Der Dominos Sonor hatte auch in diesem Jahr sein ganzes Geschick und Einfühlungsvermögen in den Dienst des glanzvollen Höhepunktes des „Morusi Festes“ gestellt.

Der große Brunnen war - wie üblich - vor dem Fest entwässert worden und mehrere Arbeitstrupps aus Primitanten legten behände schwere Ketten kreuz und quer durch das - etwa 50 Meter im Durchmesser - große Brunnenbecken. Über die Ketten rollte man Folien aus schweren Nylontüchern derart, dass deren Enden etwa einen Meter über die Brunnenränder hinausragten. Riesige Kasserollwägen warteten mit rotierenden Bäuchen, während ihre fetten blaugrauen Pollutionen wie Bodennebel schlangenhaft zwischen die Zelte und Hungerstände krochen. Kleine Holzbrücken wurden an vier Stellen über die Brunnenränder gelegt um den Narrenkindern den geordneten Gang in das Brunnenbecken zu erleichtern.

Auf dem Platz war es still geworden. Die Narrenkinder hatten sich sang- und klanglos binnen weniger Minuten im Brunnen versammelten. Der Dominos Sonor hob seine Hand mit dem Stabilo und die Stimmen der Narrenkinder erklangen unvermittelt mit einem flatternd zarten Sopranino. Jedes Kind hielt eine Sternsprühkerze in einem Händchen. Die flittrigen Blitzlein ließen Schatten und Lichter auf den kleinen Gesichtern tanzen.

Die Kasserollwägen waren langsam an den Rand des Brunnens aufgerückt und die großen, aus den Bäuchen ragenden Schwenkrohre wurden von den Frenatoren in den Brunnen geschlaucht. Auf ein unhörbares Kommando öffneten sich die Schleusen der Dreh-Bäuche und eine grauschwarze schlammige Masse ergoss sich träge mit schmatzenden Geräuschen in den Brunnen. Binnen 20 Minuten reichte der Morast bis knapp unter den oberen Rand des Brunnenbeckens.

Der Chor der Narrenkinder war langsam verstummt und die Sternsprühkerzen erloschen nach und nach mit leisem Knistern in deren Händchen. Der schnell trocknende Conkret würde binnen weniger Minuten hart wie Fels sein. Die Klaren standen mit ernüchterten Mienen um den Brunnen. Da und dort war aus der Menge ein unfestliches Schluchzen von Femininen zu vernehmen. Nun begannen auch vereinzelt Kinder im Brunnen, zu wimmern und zu wehklagen, als sie gewahr wurden, dass es für sie kein Bewegen mehr gab.

Sehr bald werden sie erschöpft von Angst und Tränen im Stein entschlafen. Binnen 4 Tagen wird jegliches Leben sie verlassen haben. Meine annuale Aufgabe als Stabilisateur ist damit erfüllt. Der Conkret-Narren-Kindergarten wird in 14 Tagen seinen Platz neben den vielen anderen am Rande von Atrocidad einnehmen.

Das Edikt des Tormentors lautet:

Die Stadt ist narrenfrei zu machen.
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