Tabubruch

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Dr. Karg
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Tabubruch

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Tabubruch

©Hans Hartmut Karg
2015

1. Vorspann:

Es gibt bekannte und mehr oder weniger öffentliche Tabus und es gibt persönlich auferlegte Tabus – soll es wenigstens geben oder gegeben haben. Damit befassen sich seit Sigmung Freud nur noch wenige Forscher. Von einem persönlich auferlegten Tabu später mehr.

Gibt es heute noch wirklich Bildungspolitik? Es gibt keine Bildungspolitik mehr. Zu stressig, zu aufwändig, zu sehr angreifbar. Was Hattie herausgefunden hat, wissen wir längst, haben wir immer gewusst: Die Lehrerpersönlichkeit als Bildner/in, Erzieher/in und Unterrichtende/r ist entscheidend für das künftige Leben. An manche erinnert man sich auch in späteren Jahren noch gern, andere hat man vergessen oder verdrängt...

Deshalb hier eine aktuelle Geschichte aus dem Alltag von Jung und Alt, an die sich Bildungspolitik, Erziehungswissenschaften, Psychologie und Soziologie nur schwerlich herantrauen, soweit sie nicht von vornherein ideologisch fixiert sind und immer schon alle Lösungen kennen...

2. Geschichte:

Ein alter Mann hatte sich in jungen Jahren geschworen, niemals ein Kind zu schlagen. Er redete darüber nicht, es war sein persönliches, privates Tabu, aber es sollte ihm lebenslang gelten.

Das hielt er auch mehr als vierzig Jahre durch. Dann ging er in den Ruhestand und dabei entstand für ihn eine neue Situtation. Er war nicht mehr so nervenstark wie früher, war von Krankheiten gezeichnet und er hatte es nun mit den Enkeln zu tun.

Eines seiner Kinder hatte eine Frau aus dem Ausland geehelicht. Die Zwillinge, die sie geboren hatte, wollten in den Ferien auch einmal zu Oma und Opa väterlicherseits gehen. Die Kinder waren zwölf Jahre alt und Mama und Papa wollten doch auch einmal allein verreisen. Also kamen die Zwillinge zu Großmutter und Großvater in Deutschland.

Die wussten, dass die zwei Kinder kaum erzogen worden waren und dass sie sich nur wenig sagen ließen. Die Mutter gab ihnen größtmögliche Freiheit und versuchte nur gelegentlich mit Timeout ein wenig Ruhe in die Familie zu bringen. Die Jungs waren viel allein, schauten andauernd irgendwelche Ballervideos, aßen und tranken vieles vom Discounter und waren auf sich selbst gestellt. Dabei stellten sie immer wieder etwas an. Der Vater ärgerte sich, die Mutter war stolz auf ihre Aktivisten.
Dennoch gaben die Eltern ihre Zwillinge bei den Großeltern ab und fuhren in den wohl verdienten und lang ersehnten Urlaub.

Die Zwillinge waren von Anfang an laut und blieben kaum über irgendwelchen Spielen und/oder Arbeiten. Sie nervten sich gegenseitig und auch die Großeltern. Und sie waren laut, schrecklich laut und wurden immer lauter. Es waren wirkliche „Kracher“.

Solange sie im Haus blieben, war das kein Problem. Aber auch auf den Spielplätzen, auf die Oma und Opa mit ihnen gingen, schrien sie durcheinander und hauten mit Stocken auf die Spielgeräte ein. Sie ließen sich davon nicht abbringen. Andere Kinder suchten meist das Weite.

Die Großeltern wohnten in einem vornehmen Viertel. In der Umgebung lebten sehr viele ältere Menschen, ebenfalls im Ruhestand. Sie wollten insbesondere am Sonntag gern lang ausschlafen. Die Rollos waren unten und es war in diesem Viertel überaus still.

Am Sonntagmorgen nun – es war erst 6:30 Uhr – fielen die Großeltern fast vor Schreck aus dem Bett, als die Zwillinge einen Stock tiefer mit Karacho den Rollo hochrissen und die Terrassentür öffneten. Dann waren sie trommelnd ins Freie getreten und schrien laut und immer wieder.

Die Oma ging zu ihnen und sagte ihnen, dass sie damit aufhören sollten. Sie begründete auch wiederholt warum. Es dauerte etwa sieben Minuten und der Krach begann erneut. Lautstark lärmend liefen die Zwillingen im Garten umher. Die Oma bat erneut um Ruhe. Einer der Zwillinge ging darauf ein und ins Wohnzimmer hinauf, wo er ein Bild zu malen begann, ansonsten aber dabei alle Schränke öffnend und hineinschauend.

Der zweite Junge mit etwa 12 Jahren rannte erneut im Garten umher, trommelte auf alte Töpfe und schrie noch lauter als zuvor.

Da platzte dem Opa der Kragen. Er rannte in den Garten und gab dem Schreihals zwei sehr kräftige Ohrfeigen. Dabei war ihm nicht wohl, weil er sein Tabu und damit sein Erziehungsideal eigentlich gegen seinen Willen verletzt hatte. Nun hatte er sein perönliches Tabu sündhaft gebrochen. Er war immer gegen die Prügelstrafe gewesen und hatte diese Vorstellung auch vierzig Jahre bis in den Ruhestand zu retten vermocht. Nun war er so derart brutal provoziert worden, dass ihm nichts anderes zu helfen schien. Er wollte doch mit den Nachbarn ein gutes Verhältnis beibehalten!

3. Folgen:

Aber – welch ein Wunder! Der Schreihals hörte auf zu schreien und sah eher verwundert, als verletzt den Opa an. Das hatte er ihm wirklich nicht zugetraut. Der Junge war sicher in seinem Stolz, weniger vom Schmerz verletzt. Aber von diesem Augenblick an hörte er auf zu schreien, und die Zwillingen waren für die restliche Zeit bei Opa und Oma friedlich, vermochten gemeinsam zu spielen und nervten nicht mehr. Es wurden herrliche Ferientage – auch für Oma und Opa!
Natürlich erzählten die Jungs später zu Hause alles den Eltern, die darauf ihre Besuche merklich einschränkten. Dafür gingen sie mehr zu den Großeltern ins Ausland, weil ihre Sprösslinge dort tun und lassen konnten, was sie wollten.

Aber bei den spärlichen Besuchen kamen die Zwillinge doch immer mit. Aus ihnen wurden freundliche Bürger, erfolgreich im Beruf und liebevoll zu den Mtmenschen. Sie agierten ihren Kindern gegenüber durchaus strenger, als sie dies bei ihren Eltern erfahren hatten. Sie konnten jetzt über einer Sache bleiben und sie kommunizierten fortan freundlich, friedfertig und leise.

*
Nestor Carigno
Beiträge: 1087
Registriert: Samstag 3. Oktober 2009, 17:57
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Niederlage - Kapitulation oder Arbeit an sich Selbst

Ungelesener Beitrag von Nestor Carigno »

Niederlage, Kapitulation oder Arbeit an sich Selbst?

Bei dieser Geschichte hat der Opa ganz klar und offensichtlich eine persönliche und familiäre Niederlage erlitten.
Er hat sein persönliches potential an Aggression und Unkontrolliertheit für einen Moment über seine Wertvorstellungen, über seine Ideale, über seine Herzlichkeit siegen lassen.

Seine impulsive Handlung war nicht wohlüberlegte Strategie oder konzentriertes Abwägen aller Vor- und Nachteile sowie Konsequenzen, sondern eben eine Impuls-gesteuerte Reaktion.
Woher dieser Impuls kam ist dabei nicht von außen feststellbar
(angestaute, zurückgehaltene und nie ganz abgebaute Aggression aus negativen Erfahrungen im eigenen Leben sind sehr wahrscheinlich zumindest ein Aspekt davon).

Völlig außer Acht lässt der Text theoretisch und praktisch unendlich viele andere Möglichkeiten des Umgangs mit dem Enkel in der Situation (z.B. mit einem Kübel kalten Wasser übergießen, ihn eine Grube im Garten graben lassen; ihn austricksen; ihn (gewaltfrei) erschrecken und dann die Wärme, Geborgenheit und Sicherheit der Großeltern geben; ihn fragen, was sein Problem, sein Zorn, seine Wut ist und nach Lösungen suchen; ihn zeitweilig wo einsperren, wo er so lange tobt, bis er seine überschüssige Energie verausgabt hat; ihm auf verschiedenste Arten näher bringen, dass sein übermäßiger Konsum von gezuckerten Lebensmitteln und vermutlich auch Energy-Drinks einen wesentlichen Anteil an seinem "Energie-Überpegel" hat und dass ihn diese auf Dauer impotent, fettleibig und zahnlos machen werden; ...)

Ganz offensichtlich fehlt es dem Opa in der Geschichte also an Kreativität bzw. Erfahrung.

Was diese Geschichte aber wirklich ruiniert, sind eine Reihe kleiner direkter und indirekter Rechtfertigungen für die offensichtliche Niederlage des Großvaters, welcher sich somit nicht für theoretisch und praktisch unendlich viele, alternative Szenarien öffnet, sondern auf dem einen stattgefundenen Szenario hängen bleibt und darauf als einzige traurige Möglichkeit fixiert. Dabei verpasst er es, seinem Geist eben jene, auch durch ihn selbst im Nachhinein erreichbare alternativen Szenarien zu reinigen und zu erweitern.

Sich Selbst seine Fehler und Niederlagen zu vergeben, um nicht in Selbst-Zweifel und Reue seine Kraft zu verschwenden, um sich Selbst immer wieder zu finden, ist ein wichtiges Lebens- und Sterbe-Elexier.

Wird die Vergebung an sich Selbst aber auf (versteckten oder indirekten) Rechtfertigungen und Verteidigungen begründet, dann ist man keinen Schritt weiter, sondern wird bei nächster Gelegenheit den gleichen Fehler, die gleiche Niederlage wieder begehen.

Eine andere Möglichkeit ist eben, sich in die Szene hineinzuversetzen und mit einem beweglichen Geist alternative Varianten der Szene zu finden. Von diesen sucht man sich eine oder mehrere aus und definiert sie als potentielle Strategie oder als potentiellen Impuls (weil als Visualisierung erfahren und so gespeichert) für eine ähnliche Situation.
Einige Kulturen kombinieren diese "Re-Kapitulation" - also dass man sich nicht mit einer Niederlage abfindet - mit gewissen Atem-Techniken und Energie-Übungen.
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