Für immer zerborsten

Mystisches, Schmerz, Trauer, Depression, Angst, Abschied, Tod
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Germany Marc Donis
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Für immer zerborsten

Ungelesener Beitrag von Germany Marc Donis »

Für immer zerborsten

I
Es war ein seltsames Gefühl dem trostlosen Alltag zu entfliehen,
wobei es sich wie ein krampfhafter Versuch anfühlte, den
Krallen des Lebens zu entweichen.

Der melancholische Frühling, der mit einem Hauch vom
süßen Trübsal über Berlin lag, erweckte in mir den spärlichen
Eindruck, dass nun auch dieser an einer Magersucht erkrankt
war, da dieser monoton und mit einem vernachlässigten Ausdruck
über der Stadt wie ein Laken hing und scheinbar jeden mit seiner
trostlosen Depression ansteckte.

Er hinterließ eine Art Bild, das er zwar mit blühenden Blumen
gezeichnete hatte, um darin seine tiefe Traurigkeit zu verstecken,
doch der florierende Versuch seine Angst zu verstecken, schien wie
Quecksilber zu zerlaufen, da der Himmel seit Tagen und seit etlichen
Wochen mit diesem undurchdringlichen Grau getränkt war.

Die Magersucht des Frühlings ging schließlich so weit, dass er sich
jeden Tag ein bisschen mehr verlor, bis er schließlich den Kontakt
mit den Menschen abbrach und die starre Grauheit der
Selbstverletzung ihn vollständig zerfraß.

Die Menschen, die immer noch vom trüben Herbst und
vom tückischen Winter angeschlagen waren, erhofften
sich vom Lenze die ersten klaren Sonnenstunden, wobei
auch dieser die verlorene und im Grau ertrunkene
Lebensfreude schlussendlich verweigerte.


II
Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem ich im
Zug saß und die müden Felder sah, die im Lichte wie
angelaufenes Silber glänzten und scheinbar im Takt mit dem
Regen tanzten.

Ich bekam erneut den Eindruck, dass der Frühling
an einer schweren Depression litt, da dieser ohne einen
ersichtlichen Grund in ein hysterisches Weinen ausbrach und
die brandenburgischen Länder und Erden mit seinen
Tränenperlen ertränkte.

Die dichten Nebelschwaden, die die Wälder vermeintlich
kleideten, prangten und glommen im schwachen Licht wie
Seide und hinterließen einen trüben Einblick darauf, was
mich auch im Spreewald erwarten würde:
Eine grazile Melancholie, die sich aus dem Elend und der
Vergänglichkeit gewoben hat.


III
Es fühlte sich seltsam an, wieder in Lübbenau zu stehen.
Mich durchzog ein Hauch von Befremdung, die einer
ungnädigen Angst glich.

Lag es daran, dass ich mir mal wieder Vorwürfe machte?
Oder lag es daran, dass ich mir diesmal die schlimmsten
Szenarien ausmalte und diesen zu meinem Leidwesen
auch Glauben schenkte?

Oder lag es einfach an der Tatsache, dass ich Angst hatte,
ein Mädchen zu begegnen, deren Leben ich beinah
vollkommen zerstörte?

Auch wenn sie mir meine Tat verziehen hat,
kann ich mir selbst diese Tat nicht vergeben.
Warum auch?
Ich war halt einer der drei Gründe,
wieso sie sich das Leben nehmen wollte.
Ich war daran schuld, dass ich ihre Liebe nicht
erwidern konnte…


IV
Es ist eigentlich schon recht paradox, dass,
wenn mich Mädchen lieben, dann kann ausgerechnet ich
ihre Liebe nicht erwidern. Wenn jedoch ich Mädchen
liebe, dann können sie meine Gefühle nicht erwidern.

Ist das Rache?
Oder doch Schicksal?
Ich weiß es nicht.

Doch ich wünschte, ich wüsste die Antwort.
So unglaublich sehr.

Inzwischen stand ich in der historischen Altstadt und
schaute dem verträumten Brunnenplätschern zu.
Die nassen Granitsteine glänzten wie Eis.

Dasselbige traf auch auf die daneben stehende Kirche
zu, die teilnahmslos auf dem Platz thronte und vom
Morgen geküsst und umarmt wurde.

Ich schaute mich um und betrat diese, wobei ich mich
im Gebäude noch fremder fühlte.
Die Kirche hatte scheinbar die Heiligkeit verloren,
denn ich fühlte mich noch leerer als zuvor.

Ich seufzte und ließ mich auf eine Holzbank fallen.
Ich fühlte mich erschöpft.
Und das sah man mir auch an.
Ich schaute mich um, doch meine
übermüdeten und mit tränengefüllten Augen
brannten, als ich das Kerzenlicht sah.
Ich seufzte erneut und schloss die Lider.

Ich erinnerte mich an einen Satz, der
während eines Streits fiel.

„Da wir beide ohne uns nicht leben
können, wäre es besser, wenn wir
sterben“, sagte sie und ich hörte
ihre weiche, aber schrille Stimme in
meinem Kopf.

„Nein“, hörte ich plötzlich meine
dumpfe Stimme in meinem Kopf
das Wort ergreifen.

„Ich will nicht sterben,
aber unsere Liebe ist hier das Gift.
Und sie verlangt von uns beiden, dass
wir sterben. Und nicht du.“


Berlin-Biesdorf-Süd;
09.02.2024
Sie wünschen uns Missgunst, aber die Kunst ist mit uns...
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