Halbwesen

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Dr. Karg
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Halbwesen

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Halbwesen

©Hans Hartmut Karg
2014

Wäre es schlimm, ein Halbwesen zu sein?
Ja, das wäre schlimm und gemein,
Denn Halbheit lässt ein Stigma allein:
Den Menschen nur noch leben zum Schein.

Der Begriff legt Unvollkommenes hinein
Oder unterstellt als Wort nur die Halbheit,
Mit der ein Wesen als Unfertiges bereit
Bleibt im Unvollkommenen allein.

Sind wir nicht alle halb Körper, halb Geist?
Bleibt uns die Seele nicht ungewiss,
Wenn solches begünstigt den Menschheitsriss
Zu dem Vollkommenem, der wertend reist?

Wenn der Corpus vom Geist weg driftet,
Weil die Seele ihn nicht mehr hält:
Ist es dann, was hinunterfällt,
Weil es von vornherein vergiftet?

Wer sich nur als Ganzwesen führend versteht,
Der hat nicht die Quälendlichkeiten begriffen,
Mit denen Leidende ihr Ungemach umschiffen,
Damit es ihnen doch besser geht.

Freund, Halbwesen gibt es nicht,
Es gibt nur Wesen oder Nichtwesen.
Das Wesen, es west – oder verwest:
Die Liebe hält es, die daraus spricht.

Wer kennt denn schon den eigenen Tod
Mit dem Dauerkainsmal der Nähe,
Wenn niemand zu jenen Wesen stehe
Im Morgen- wie im Abendrot?

Versuche Wesen zu begreifen,
Die gänzlich schön entstanden sind:
Den Samen trägt der Götterwind,
Da kann Vollkommenheit endlich reifen.

Schwinge Dich doch nicht auf,
Um Menschen zu stigmatisieren,
Sie schwächend dort auszuschmieren,
Wo göttlich ihr Lebenslauf.

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